Altes Amtsgerichtsgebäude Altes Amtsgerichtsebäude
Quelle: Arbeitsgericht Bocholt
Erweiterungsbau Justizzentrum Erweiterungsbau Justizzentrum
Quelle: Arbeitsgericht Bocholt
Erweiterungsbau Justizzentrum Erweiterungsbau Justizzentrum
Quelle: Arbeitsgericht Bocholt

September 2005: Erster Spatenstich. Die Arbeiten am Benölkenplatz beginnen. Zunächst wird das Gelände freigeräumt. Die Firmen verlegen die Gas-, Elektro- und Wasserleitungen.

November 2005: Grundsteinlegung mit der neuen Nordrhein-Westfälischen Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter.

Februar 2006: Das Fundament liegt. Die ersten Mauern des Untergeschosses schauen aus dem Boden. Die Fertigwände des Mauerwerks werden mit Beton verfüllt.

März 206: Die Tiefgarage bekommt Wände und eine Decke.

Mai 2006: Das erste Obergeschoss ist fertig.

Juni 2006: Der Rohbau steht. Der Dachdecker hat zum Schutz eine Folie angebracht. Der Innenausbau beginnt. Nur ein Teil des Gebäudes muss noch verklinkert werden. Ansonsten ist schon überall Estrich gelegt.

Mitte Dezember 2006: Das Bocholter Amtsgericht zieht in den Neubau des Justizzentrums.

Ende Dezember 2006: Die Staatsanwaltschaft zieht in den Neubau des Justizzentrums.

Anfang Januar 2007: Das Arbeitsgericht zieht in den Neubau des Justizzentrums.

18. Juni 2007: NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter weiht das neue Justizzentrum in Bocholt ein.

15. und 16. September 2007: Tag der offenen Tür.


Das Justizzentrum wurde in "Rekordzeit" gebaut. Nach der Fertigstellung des Rohbaus hätte das Richtfest kommen sollen. Die Beteiligten entschieden sich aber dagegen. Als Ersatz gab es ein Pressegespräch, in dem der Bauherr, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, über die voranschreitenden Arbeiten am neuen Justizzentrum berichtete. Wegen des harten Winters verlor man zwar etwas Zeit, bekam die Probleme aber in den Griff. Besonders das Arbeiten in der Grube hat bei den kalten Temperaturen Schwierigkeiten bereitet. Das Grundwasser stand sehr hoch und füllte die Grube immer wieder mit Wasser.

Am 14. November 2005 legte der Direktor des Amtsgerichts, Helmuth Schlüter, in feierlicher Runde und im Beisein zahlreicher geladener Gäste den symbolischen Grundstein für den Bau des neuen Justizzentrums am Benölkenplatz. Auf einer Fläche von rund 3.400 Quadratmetern entstand in der Rekordzeit von nur einem Jahr ein Erweiterungsbau, der sich unmittelbar an das unter Denkmalschutz stehende Amtsgericht anschließt.

Beim Bau des neuen Gebäudes hat der Bauherr eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Münster zusammenarbeiten müssen, da das alte Amtsgericht unter besonderem Denkmalschutz steht. Im Mittelpunkt steht nach wie vor das alte Gebäude.

Die große Eichentür des Amtsgerichtes soll sich elektrisch öffnen. Geradeaus dürfen nur noch die Richter und Mitarbeiter des Gerichtes gehen. Für das Publikum geht's rechts ins "Affenhaus" (so Helmuth Schlüter, Direktor des Amtsgerichtes). Die Wachtmeister, die dort die Besucher kontrollieren, sitzen hinter einer großen, schusssicheren Glasscheibe. Die Besucher werden - ähnlich wie am Flughafen - auf Waffen und waffenähnliche Gegenstände durchsucht.

120 Arbeitsplätze gibt es im Neubau, von denen etwa 20 durch Volljuristen und weitere 20 durch Fachhochschulabsolventen besetzt sind. Hinzu kommen zurzeit außerdem 7 Ausbildungsplätze und durchschnittlich 5 Referendare. Alles ist genau nach Vorschrift aufgeteilt. Einem Richter stehen 15 Quadratmeter zu, einem stellvertretenden Direktor 20, einem Behördenleiter 25 Quadratmeter. Vorschriften gibt es bei Gericht fast für alles. Fenstervorhänge dürfen nur eine bestimmte Anzahl von Falten haben, genau so wie eine Robe. Einem Richter stehen sieben Falten zu, einem Staatsanwalt fünf, und auch die Breite des Roben-Samtbesatzes ist vorgeschrieben. Statt Vorhänge gibt es im Neubau moderne Sonnenschutzlamellen, die bei starkem Wind automatisch eingefahren werden.

Neben der Hausmeisterwohnung mit Dachgarten - abgetrennt durch eine dicke Tür - liegt der Trakt mit den Arrestzellen. Und ganz unten, direkt über der Tiefgarage, befindet sich das Grundbuchamt. Rund 33 000 Grundakten werden hier verwahrt. Um Platz zu sparen sind zuvor mehrere Lkw-Ladungen mit alten Akten zum Staatsarchiv nach Münster gebracht worden. Sie können bei Bedarf angefordert werden. Die übrigen Akten lagern griffbereit im "Hochsicherheitstrakt".

Die 3 Arrestzellen unter dem Dach des Justizzentrums sind etwa 10 Quadratmeter groß. Die Fenster sind doppelt gesichert, und neben der Tür steht eine Spezial-Sicherheits-Toilette aus Stahl - ein Kasten, in dem sich auch ein Waschbecken befindet. In diesen Arrestzellen verbüßen junge Leute im Alter von 14 bis 21 Jahren am Wochenende den sog. Freizeitarrest. Für die Dauer von Samstag, 7:00 Uhr bis zum Arbeits- oder Schulbeginn wird den Jugendlichen und jungen Erwachsenen hier unter besonderer Betreuung für diese Dauer die Freiheit entzogen.

Im Keller des Gerichts gibt es außerdem 2 Vorführzellen. Dort werden Gefangene anlässlich der Wahrnehmung von Gerichtsterminen tagsüber untergebracht. Von ihnen aus gelangen die Angeklagten über eine "Geheimtreppe" zu den Sitzungssälen.

Die Vorteile für das Justizzentrum liegen auf der Hand: Zunächst einmal haben die Mitarbeiter kurze Wege und können sich dementsprechend unkompliziert in fachlichen Fragen mit Angehörigen anderer Gerichtszweige austauschen. Zudem kann die vorhandene Bibliothek gemeinsam genutzt werden. Die Infrastruktureinrichtungen wie Kantine, Aufzüge oder Behinderteneinrichtungen entsprechen den modernsten Standards. Das Gleiche gilt für den Sicherheitsbereich, beispielsweise die Wachtmeisterei, die Eingangskontrolle, die Kommunikationseinrichtungen sowie die EDV-Unterstützung.

Das neue Justizzentrum stellt als größter Justizstandort des Münsterlandes einen Gegenpol zu den Verwaltungshauptstädten Borken und Coesfeld dar, Münster ausgenomen. Die Lage im Grenzgebiet hat wesentlich dazu beigetragen, dass das Justizzentrum hinsichtlich der wirtschaftlichen Betreuung der Regionen als Schnittstelle zum Rhein-Ruhr-Gebiet, Holland sowie dem außereuropäischen Ausland fungiert.

Die 3 Schwurkreuze, die bislang auf den Richtertischen des Bocholter Amtsgerichtes standen, werden künftig in einem Vitrinen-Schrank aufgestellt, weil sie das Grundrecht der Glaubensfreiheit verletzen können.

Kruzifixe auf den Richtertischen: Die Richterin des Landesarbeitsgerichts Hamm, die im Sommer das Justizzentrum in Bocholt besichtigte, reagierte entsetzt. Die Kreuze mit dem Corpus Christi müssten weg, forderte die mit der Gerichtsverwaltung befasste Richterin. Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, die bislang in Bocholt noch nicht "näher problematisiert" wurden, bestätigten den Standpunkt der Richterin. Und so ist es zur "Vitrinen-Entscheidung" gekommen.

Im Gang zwischen dem alten und dem neuen Gebäude wird ein Vitrinen-Schrank aufgestellt, der etwa genauso alt wie die drei rund 100 Jahre alten Kruzifixe ist, die dann dort hineingestellt werden. Jedem Gerichtsvorsitzenden steht es frei, sich für die Verhandlung ein Kreuz zu holen und dieses für Amtshandlungen einzusetzen. Sobald ein Beteiligter oder ein Zuschauer im Gerichtssaal die Entfernung des Kreuzes verlangt, muss dem nachgekommen werden. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes dazu ist eindeutig: Schon 1973 sei jüdischen Beschwerdeführern mit dem Hinweis auf die im Grundgesetz verbürgte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit Recht gegeben worden. Grundsätze dieses Urteils habe das Bundesverfassungsgericht dann 1995 in seinem Urteil zu den Schulkreuzen "wieder aufgegriffen und verfeinert. Wegen des staatlichen Neutralitätsgebots darf danach keinem Bürger zugemutet werden, sich mit dem Gericht wegen der Verhandlung vor oder unter einem religiösen Symbol auseinander setzen zu müssen. Sind die Kruzifixe aber in Fluren und Gängen ausgestellt, kann der Bürger dem Anblick - ähnlich wie bei Kreuzen an öffentlichen Straßen - ausweichen.

Die Fassade des 1911 errichteten Amtsgerichtes - laut Projektleiter Jürgen Take des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) das "Gesicht des Benölkenplatzes - wird mit Natriumdampflampen ins rechte Licht gerückt. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (Recklinghausen), der die denkmalgeschützte Fassade des Bocholter Amtsgerichtes in den letzten Jahren aufwändig restaurieren ließ, spendierte die Beleuchtung. Zwei große und vier kleinere Leuchtkörper sind in den Bürgersteig eingelassen und tauchen die Backsteinfassade in ein speziell auf sie abgestimmtes, warmweißes Licht. Bei den großen 150-Watt-Leuchten handelt es sich um Natriumdampflampen, die besonders kostengünstig und gleichzeitig umweltfreundlich sind.


Bericht des Amtsgerichtsdirektors Helmuth Schlüter in der Zeitschrift "NRW.JUSTIZintern" 3.2008

Direkt an der niederländischen Grenze im westlichen Münsterland liegt Bocholt. Die Stadt mit 74.000 Einwohnern verfügt über ein Amtsgericht, die Strafkammern des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht, die Zweigstelle Bocholt der Staatsanwaltschaft Münster und das Arbeitsgericht Bocholt. Seit einem Jahr residieren alle im neuen Justizzentrum.

Bis zum Beginn dieses Jahrhunderts waren die angeführten Dienststellen in vier verschiedenen Gebäuden untergebracht, die den Anforderungen der Nutzer nicht mehr entsprachen. Keines der Gebäude war zum Beispiel barrierefrei gestaltet.

Angesichts dieser Situation entschloss sich das Oberlandesgericht Hamm Anfang 2000, das Übel an der Wurzel zu packen und zusammen mit dem damaligen Staatshochbauamt Recklinghausen, eine durchgreifende Lösung zu finden. Nach internen Vorberatungen wude die Sache Mitte 2002 konkret. Das beherrschende Ziel der Planungen war: Alle Justizbehörden in Bocholt werden auf einem Grundstück untergebracht, in einem Gebäude mit einem Zugang. Im März 2004 stand die Finanzierung.

Mit dem Umschalten der finanziellen Ampel auf grün waren für die Neu- und Umbaumaßnahmen etwa 6.500.000,00 Euro bzw.Mittel für eine entsprechende an die Bau- und Liegenschaftsbetriebe zu zahlende Miete zugesagt. Für die Bebauung blieb eine Fläche von 3.083 qm, nachdem 1.418 qm bebautes Gelände an die Stadt Bocholt verkauft waren. Der historische Altbau des Amtsgerichts war umzubauen und an den Neubau anzuschließen. So hielt sich die überbaubare Fläche in engen Grenzen; deren Grundriss war weitgehend vorgegeben.

Die Anforderungen der künftigen Nutzer an das Objekt mussten mit den Belangen des Vermieters in Einklang gebracht werden. Die einzige organisatorische Vorgabe bestand darin, dem Direktor des Amtsgerichts als hausverwaltender Behörde die Koordination des Vorhabens zu übertragen. Weisungsbefugnisse oder sonstige hierarchische Positionierungen waren damit nicht verbunden. Somit galt von vornherein:


Das Prinzip der Selbstorganisation

Es wurde unter der Federführung des Amtsgerichts eine auch heute noch bestehende Arbeitsgruppe gebildet, der außer den jeweiligen Fachleuten des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) die Direktoren und Geschäftsleiter des Amtsgerichts und des Arbeitsgerichts, der Leiter der hiesigen Staatsanwaltschaft mit seinem geschäftleitenden Beamten sowie der Vorsitzende der örtlichen Strafkammern angehören. Verstärkung erhalten die Beteiligten bei Bedarf durch Vertreter der ihnen vorgesetzten Behörden.

Die Ausgangslage war beängstigend: Jede der drei beteiligten Dienststellen ging mit einem eigenständigen Raumprogramm in die Verhandlungen. Dieses war auf die Bedürfnisse selbständiger Dienststellen angelegt, sodass etwa unabhängig von deren Größe und Bedarf jeweils eine Teeküche, ein Serverraum bzw. eine Wachtmeisterei eingeplant waren. All den vielfältigen Begehrlichkeiten setzte der Chefplaner der Bau- und Liegenschaftsbetriebe (BLB) entgegen, dass diese auf dem bautechnisch vorgegebenen Grundriss und nach Maßgabe des Budgets nicht zu verwirklichen seien.

So kam es zu einer rigorosen "Abspeckrunde" in der Arbeitsgruppe.

Am 14. November 2005 legte die Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter den Grundstein. Zur Jahreswende 2006/2007 wurde der dann fertig gestellte Neubau bezogen. Nach Abschluss der Umbauarbeiten in dem historischen Altbau konnte die Ministerin das Zentrum am 18. Juni 2007 im Rahmen einer lockeren Feier einweihen.

Inzwischen sind die Beschwerden der Bauzeit Legende. Die Abläufe funktionieren wie geplant. Dabei haben sich gegenüber dem vorhergehenden Zustand organisatorische Änderungen und Einsparungen ergeben.


Rationalisierungseffekte:

Diese sind gemeint, wenn mit demselben Einsatz (Input) mehr Wirkung (Output) erzielt wird. In dieser Beziehung lassen sich mehrere Punkte aufführen:

Flächenersparnis

bessere Nutzung des Bauvolumens

Multifunktionalität der Flächen

Kurze Wege

Die beschriebene Raumnutzung ist durch eine Änderung der Raumverteilung optimiert worden: Der Publikumsverkehr konzentriert sich auf den Altbau, dort im Untergeschoss auf die Wachtmeisterei, die Rechtsantragstellen der verschiedenen Abteilungen, die Zahlstelle, das Grundbuchamt, die Geschäftsstelle in Nachlasssachen, die Anweisungsstelle für Zeugengebühren und die Kantine. Alle Abteilungen profitieren von der Zentralisierung und Kanalisierung des Publikumsverkehrs: Die Störungen durch herumirrende Fragesteller, deren Begehren jeweils zu klären ist, bleiben inzwischen nahezu aus.

Mittlerweile haben die Angehörigen des Amtsgerichts und des Arbeitsgerichts, die sich großteils von der gemeinsamen Ausbildung her kennen, zueinander gefunden und in diesem Jahr sogar einen gemeinsamen Betriebsausflug unternommen. In den Spitzen der verschiedenen Behörden lässt man allerdings Fusionsgelüste nicht aufkommen. Die Eigenständigkeit des Vorsitzenden der Strafkammern und seiner Geschäftsstelle ist durch die räumliche Unterbringung abseits der erstinstanzlichen Strafabteilungen betont. Gleiches gilt für die Unterbringung der Staatsanwaltschaft, die ihre Selbständigkeit durch eine ansprechende Ausschilderung ihres Traktes hervorhebt.