Das "jüngste Gericht" oder wohin mit dem westlichen Münsterland?

Gründung 1982:

Zu Beginn des Jahres 1982 nahm das Arbeitsgericht Bocholt als letztes der erstinstanzlichen Gerichte im Bezirk des Landesarbeitsgerichts Hamm seinen Dienstbetrieb auf. Grundlage dafür war die Neuordnung der Arbeitsgerichtsbezirke im Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage des Gesetzes zur Ausführung des Arbeitsgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen (AG ArbGG) vom 11.11.1981. Das für die Landkreise Borken (nach Gebietsreform verbunden mit dem Altkreis Ahaus) und Coesfeld zuständige Arbeitsgericht erster Instanz sollte danach das neu zu gründende Arbeitsgericht Bocholt sein. 

Das westliche Münsterland:

Der Münsterländer als solcher ist zwar - neben kursierenden Gerüchten über eine gewisse Dickschädeligkeit - als friedlicher Mensch bekannt und geschätzt, gleichwohl dürfte auf der Hand liegen, dass ein Bedarf an Streitschlichtung und Streitentscheidung durch die Arbeitsgerichtsbarkeit selbst im westlichen Münsterland schon vor dem Jahre 1982 bestand. Wie also wurde die Region Borken-Bocholt, Altkreis Ahaus und Kreis Coesfeld, die immerhin rund 7 % der Landesfläche umfasst, vor dem Jahre 1982 erstinstanzlich versorgt? 

Die Anfänge:

Das Kontrollratsgesetz Nr. 21 (1946) sah vor, dass die Arbeitsgerichte den Arbeitsamtsbehörden unterstehen, bei der Festlegung der Gerichtssprengel orientierte man sich deshalb an den bestehenden Arbeitsamtsbezirken. So erhielt das Arbeitsgericht Herne u. a. die Zuständigkeit für den Arbeitsamtsbezirk Bocholt, das Arbeitsgericht Rheine-Coesfeld mit Sitz in Rheine war zuständig für den Arbeitsamtsbezirk Coesfeld. 

Wo liegt mein Revier?

Angesichts dieser Neuordnung bestand eine der ersten Aufgaben des Vorsitzenden in Rheine, Herr Pelster, darin, zunächst einmal über das Arbeitsamt zu ermitteln, für welchen Einzugsbereich genau dieses - und damit auch das Gericht - zuständig ist. Der (erst) im Frühjahr 1947, also Monate nach der Aufnahme des Geschäftsbetriebs, hierzu geführte Schriftwechsel  (321,9 KB), der erhalten ist, macht deutlich, dass die Mehrheit der Ureinwohner Trizonesiens andere Sorgen gehabt haben dürfte, als ein Arbeitsgericht anzurufen. 


Wesentliche Beeinträchtigung unerwünscht!

Ein weiteres, angesichts der Zerstörungen in den Mittelzentren des Münsterlandes ernstes Problem bestand darin, für die Abhaltung eines Gerichtstages in Coesfeld geeignete Räume zu finden, was dank der Oberfinanzdirektion Westfalen in Münster (siehe dortiges Schreiben vom 7.9.1946)   (136,9 KB) bereits im Jahre 1946 gelang, wobei zu hoffen ist, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit den Geschäftsbetrieb des Finanzamtes Coesfeld "nicht sehr wesentlich beeinträchtigt hat", wozu nichts überliefert ist. 

Was geht mich Bocholt an?

Parallel dazu fragte der Vorsitzende in Herne, Herr Hahn, im August 1946 (siehe Schreiben vom 12.8.1946  (386,5 KB) beim Landesarbeitsgericht an, ob ein ihm zugeleitetes Schreiben an das Arbeitsgericht Bocholt "ihn etwas angehe"?, eine aus heutiger Sicht verständliche, angesichts der Regelung im Kontrollratsgesetz Nr. 21 jedoch überraschende Frage, deren Klärung jedoch binnen weniger Tage gelang, was sich aus dem Schreiben vom 22.8.1946  (347 KB) des Vorsitzenden an den Leiter des Arbeitsamts Bocholt ergibt. 

Keine Beziehung zu Herne!

Wie die Eingabe vom 23.9.1946  ( 408,7 KB) des Bezirksverbands katholischer Arbeitervereine Westmünsterland an das Landesarbeitsamt Münster zeigt, erkannten die Münsterländer schnell, dass sie nicht nur aus Gründen der Verkehrsanbindung nicht besonders zu einem im Ruhrgebiet beheimateten Arbeitsgericht passen und auch in Fragen des Arbeitsrechts wieder heimatnah versorgt werden wollen. 

Wesel liegt näher!

Diesem Ansinnen wurde bereits drei Jahre später insoweit Rechnung getragen, als mit Erlass des Arbeitsministers vom 2.6.1949 angeordnet wurde, dass das Arbeitsgericht Wesel den Gerichtstag in Bocholt mit Wirkung zum 1.7.1949 übernehmen solle, was dem Vorsitzenden in Herne - sicher sehr zu dessen Freude - am 9.6.1949 mitgeteilt worden ist. 


Habt Ihr uns übersehen?

Dann kehrte für geraume Zeit Ruhe ein, bis der Landtag mit Gesetz vom 11.11.1981 die Arbeitsgerichtsbezirke neu ordnete und die Gründung eines Arbeitsgerichts in Bocholt, zuständig für die Landkreise Borken und Coesfeld beschloss. Dieses nahm am 4.1.1982 mit zwei Richtern seinen Dienstbetrieb unter Beibehaltung des vom Arbeitsgericht Rheine übernommenen Gerichtstages Coesfeld auf, was außerhalb des Münsterlandes jedoch zunächst nicht weiter auffiel, was sich aus dem Schreiben vom 11.3.1985   (134,8 KB) (!) des Direktors Heienbrok, der bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand zum 31.7.2006 die Geschicke der Behörde leitete, an einen Fachverlag zwecks Berichtigung des Ortsverzeichnisses vom ergibt. 

Das Gericht wächst!

Zum 1.1.1984 erfolgte unter Zuweisung einer dritten Richterplanstelle die Errichtung eines weiteren Gerichtstages in Ahaus. Der starke Anstieg der Klageverfahren, u. a. bedingt durch die Krise der im Münsterland beheimateten Textilindustrie, machte zum 1.10.1986 die Zuweisung einer vierten Richterplanstelle erforderlich.


Arbeitsgericht Bocholt in Zahlen:

Zahl der Kammern: 4
Zahl der Berufsrichter/innen: 4
Zahl der ehrenamtlichen Richter/innen: 85
Zahl der Gerichtseingesessenen: 590.113

Gerichtsbezirk:
Das Arbeitsgericht Bocholt ist zuständig für die Stadt Bocholt sowie die Kreise Borken und Coesfeld

Gerichtstage:
Ahaus und Coesfeld